16.09.2020, 23:00 Fachgruppe SozPäd TvÖD Meldungen Erstellt von GEW Stadtverband München
Am 15. September beteiligten wir uns, unter Einhaltung der geltenden Coronaauflagen, zusammen mit ca. 30-40 Personen, an einer frauenpolitischen Kundgebung vor dem Büro des Verbundes der Kommunalen Arbeitgeber*innen. Dabei handelt es sich um die Verhandlungsgegner*innen in den aktuellen Tarifverhandlungen.
Unter dem Deckmantel der Sparmaßnahmen wegen Corona und entgegen der noch im Frühjahr bekundeten Lobpreisungen stiegen diese mit dem Vorschlag einer Nullrunde für die kommenden 3-4 Jahre in die Verhandlungen ein. In mehreren Redebeiträgen wurde auf die dringende Notwendigkeit der Verbesserung der Arbeitsbedingungen im sozialen Bereich und der Pflege hingewiesen. In unserem Redebeitrag betonten wir, warum auch aus Sicht der Gewerkschaften diese Tarifrunde in einem direkten Zusammenhang mit dem Frauen*kampf steht.
Mitschnitt von Radio Lora: http://lora924.de/?p=51355
Hier unser Redebeitrag:
Wir, von der GEW Fachgruppe Sozialpädagogische Berufe, sagen laut:
Diese Tarifrunde ist auch Frauen*kampf!
Die Corona-Krise hat uns als Gesellschaft nochmal sehr deutlich gezeigt, was wir alle eigentlich schon längst wissen: dass wir auf gewisse Berufsgruppen unbedingt angewiesen sind. Dazu zählen Care-Berufe wie Pflege, Erziehung, Soziale Arbeit, Reinigungs- und Hauswirtschaftskräfte aber auch Berufe wie Müllabfuhr, Nahverkehr, Einzelhandel, Logistik, Verwaltung, nur um einige zu nennen. 75% dieser systemrelevanten Berufe werden von Frauen* ausgeübt. Viele dieser Berufe sind im Tarif des öffentlichen Diensts verankert, bzw. werden an diesen angelehnt vergütet. Bundesweit haben wir in der GEW Beschäftigte in den Bereichen Schule, Sozialer Arbeit, Weiterbildung sowie Hochschule und Forschung, die unterschiedlichste Tarifverträge und Beschäftigungsverhältnisse haben. Rund ¾ davon sind Frauen! Fast ein Drittel aller Beschäftigten verdienen in ihrem Beruf unter 3000€ brutto! Allein In der GEW-München sind Bereich der Sozialen Arbeit knapp 82% Frauen vertreten. Ohne all unsere männlichen Kollegen außer Acht zu lassen, die ebenso wertvolle Arbeit leisten, können wir also feststellen, dass die GEW überwiegend eine Frauen*Gewerkschaft ist! Deshalb betrifft diese Tarifrunde nicht nur, aber vor allem die Arbeitsbedingungen von Frauen*, besonders in den Erziehungs- und Care-Berufen! Genau die Berufe also, die sowieso schon chronisch unterbezahlt sind, in denen die Arbeitsbelastung irre hoch ist, in denen ein großer Fachkräftemangel herrscht - und letztlich für die die Corona-Krise die prekären Arbeitsbedingungen nur verschärft hat!!! Im Equal Care Manifest, initiiert vom klische*esc e.V. und unterzeichnet von zahlreichen Organisationen, Vereinen und Gewerkschaften, die sich auch für Frauen*politik stark machen, heißt es: „Der Care-Sektor ist der größte Wirtschaftszweig, und auch hier gilt: die bezahlte Pflege- und Fürsorgearbeit wird weltweit zu zwei Dritteln von Frauen geleistet. In Deutschland ist der Frauenanteil sogar noch höher: 2019 lag er in den medizinischen Berufen, im Rettungsdienst und in der Pflege bei 84,2 Prozent, in der Kinderbetreuung sogar bei 89,6 Prozent.“ Wir fordern in dieser Tarifrunde bessere Arbeitsbedingungen im sozialen Bereich, wir fordern eine bessere Bezahlung, wir fordern mehr Anerkennung für unsere Berufe UND wir fordern gleichzeitig die Gesellschaft auf aktiv zu werden, gegen die Schlechterstellung von Frauen* auf dem Arbeitsmarkt, gegen die Teilzeitfalle und weibliche Altersarmut! Aber nicht nur das! Mehr noch: Wir fordern darüber hinaus, dass endlich ein Umdenken in der Gesellschaft und der Politik bezüglich der Care-Berufe stattfindet, nämlich unabhängig von Geschlechtern! Diese Berufe werden zwar noch überwiegend, aber nicht nur von Frauen* getragen, vergessen wir das nicht! Wir müssen uns endlich vom Label der sogenannten Frauen*berufe verabschieden und eine Verteilungsgerechtigkeit und Gleichberechtigung in der Gesellschaft zu erreichen!
Wir ALLE sind unverzichtbar! Darum stehen wir heute hier vor dem Büro der kommunalen Arbeitgeber*innen: Denn von Applaus, Lavendeltöpfen, Lob und Dankesreden können wir alle unsere Arbeit nicht besser machen und unsere Miete erst recht nicht zahlen! So wollen und machen wir nicht weiter! Wir geben uns in dieser Tarifverhandlung nicht mit einer Nullrunde für mehrere Jahre zufrieden wie von den Arbeitgeber*innen gern gewollt und in den Vorverhandlungen lapidar eingebracht! Wir fordern die Arbeitgeber*innen auf, die Care-Berufe endlich anzuerkennen, aufzuwerten und besser zu bezahlen! Diese Tarifrunde geht nicht nur die Kolleginnen und Kollegen, die in diesem Bereich arbeiten, etwas an! Denn immer noch sind es Frauen*, die die meiste Reproduktionsarbeit, also unbezahlte Haus-, Erziehungs-, Sorge- und Pflegearbeit leisten! Fällt die öffentliche Versorgung wie etwa Pflegeeinrichtungen, Kindergärten, Horte, Schulen oder Krankenhäuser weg, oder herrscht Mangel durch zu wenig Personal und schlechte Arbeitsbedingungen, gleichen das vor allem die Frauen* unbezahlt zuhause aus! Laut Equal Care Day und dem Statistischen Bundesamt wurde ermittelt, dass die in Deutschland lebende Bevölkerung im Jahr 2013 insgesamt 35 % mehr Zeit für unbezahlte Haus- und Sorgearbeit aufgewendet hat als für bezahlte Erwerbsarbeit. Die dadurch entstehende gesellschaftliche Wertschöpfung ist beträchtlich und beträgt rechnerisch 987 Milliarden Euro! Das entspricht fast 40 % der im Bruttoinlandsprodukt enthaltenen gesamten Bruttowertschöpfung, die nicht miteinfließen!4 Wir bekommen nur was wir erkämpfen – Jetzt sind wir dran! Wir lassen uns nicht spalten! Unsere Kernforderungen für die TVöD Verhandlungen:
Stehen wir daher zusammen und solidarisch für Frauen*rechte, Gleichberechtigung, mehr Verteilungsgerechtigkeit und bessere Arbeitsbedingungen! Für alle hier und jetzt!